Bergoglio - das erste Jahr

Ein Interview-Gespräch. Am 13. März 2013 ging ja der Argentinier Jorge Mario Bergoglio aus dem Konklave in Rom als Papst der “Konzilskirche” hervor, wobei er sich dann den Namen Franziskus beilegte. In diesem Zusammenhang war es dann schon etwas erstaunlich, dass man einen 76-jährigen wählte, dem ein Teil der Lunge fehlt. Es war also nicht abwegig zu vermuten, dass da bestimmte andere, etwa bestimmte theologische oder gesellschaftlich-politische Gründe den Ausschlag für seine Wahl durch die Kardinäle gegeben haben. Interessant ist jedenfalls, dass sich damals sowohl Hans Küng als auch einige lateinamerikanische Vertreter der sog. “Befreihungstheologie” sofort sehr erfreut darüber gezeigt haben, dass eben Bergoglio “Papst” geworden ist.
Wie ist nun das erste Jahr seines “Pontifikates” zu bewerten? Hat er bereits bestimmte Impulse dem offiziellen Katholizismus gegeben? Und welche, falls ja?
Eine gute Antwort darauf lässt sich geben, wenn wir den Bericht über ein Interview lesen, das Bergoglio mit dem italienischen atheistischen Intellektuellen Eugenio Scalfari geführt hat und das vom 02.-04. Oktober 2013 in der römischen Zeitung “La Repubblica” (in drei Teilen) veröffentlicht wurde. Dieses knüpft an einen zuvor stattgefundenen Briefwechsel zwischen den beiden Männern an, der in der italienischen Öffentlichkeit für großes Aufsehen gesorgt hat.
Gleich zu Beginn des Interview-Berichts führt Scalfari (im ersten Teil, veröffentlicht am 02.10.2013) aus: “Papst Franziskus sagte zu mir: ‘Die größten Übel, die die Welt in diesen Jahren plagen, sind die Jugendarbeitslosigkeit und die Einsamkeit, der man die Alten überlässt’”. Natürlich setzten diese beiden hier genannten Übel heutzutage vielen Menschen zu und bereiten ihnen sehr große Probleme, bei deren Beseitigung sich nach Möglichkeit auch die katholische Kirche als solche beteiligen sollte.
Nur staunt man nicht wenig, dass jemand, der Papst und somit Stellvertreter Jesu Christi auf Erden und geistiger Führer der Christenheit sein will, in diesem Zusammenhang mit keiner einzigen Silbe etwa den tragischen Verlust des Glaubens und der gesunden sittlichen Werte des Christentums in vielen Schichten der westlich orientierten Länder beklagt, die ja gerade für so manche anderen großen Probleme als Ursache erkannt werden! Dieses Schweigen ist eigentlich verräterisch. Somit drängt sich einem die Frage auf: Welchen Kreisen will er dadurch etwa schmeicheln und gefallen? Denn einfache Vergesslichkeit kann hier wohl kaum als Ursache für dieses Bände sprechende Schweigen vermutet werden.
Soll ein Atheist bekehrt werden? Weiter berichtet Scalfari: “Der Papst kommt herein und gibt mir die Hand. Wir setzten uns. Der Papst lächelt und sagt: ‘Einer meiner Mitarbeiter, der Sie kennt, hat mir erzählt, dass Sie versuchen werden, mich zu bekehren.’ Er scherzt. Ich antworte: ‘Auch meine Freunde glauben, dass Sie mich bekehren wollen.’ Er lächelt noch und antwortet: ‘Proselytismus ist eine Riesendummheit, er hat gar keinen Sinn. Man muss sich kennen lernen, sich zuhören und das Wissen um die Welt um uns vermehren. ... Das ist wichtig: sich kennen lernen, sich gegenseitig zuhören, seinen Gedankenhorizont erweitern. Die Welt ist durchzogen von Wegen, die uns voneinander entfernen oder die uns näher zusammenbringen, aber das Entscheidende ist, dass sie uns zum Guten hinführen.’”
Bergoglio wird auf das Thema Bekehrung angesprochen. Er sitzt einem Atheisten gegenüber, der sagt, er habe gehört, er, Bergoglio, wolle ihn eventuell bekehren, und hat dann darauf nichts Besseres zu antworten als: “Proselytismus ist eine Riesendummheit, er hat gar keinen Sinn”. Scalfari spricht mit seinen betreffenden Worten in keinster Weise etwa aggressive Methoden der Bekehrungsversuche an, welche man allgemein als Proselytismus bezeichnet und welche auch der authentische Katholizismus nicht gutheißt. Er spricht von einer sog. ganz normalen bzw. klassischen “Bekehrung” - das ist der konkrete Kontext seiner Bemerkung -, wobei er sich ja nicht einmal wundern würde, wenn sein Gesprächspartner versuchen würde, ihn, den Atheisten Scalfari, mit sachlichen Argumenten etwa zum Glauben an Gott zu bewegen. Von einer etwaigen Entrüstung über diese etwaige Bemühung auch keine Spur.
Indem aber Bergoglio darauf sofort und ohne irgendeine weitere sachliche Erläuterung anfängt, von “Proselytismus” zu reden, bezeichnet er logischerweise eine jede von der katholischen Kirche geleistete Anstrengung, die unsterblichen Seelen zu Jesus Christus und dem katholischen Glauben zu bekehren, als “Riesendummheit”, die “gar keinen Sinn” mache. Welch eine freche bzw. geradezu böswillige Unverfrorenheit!
Somit muss daraus gefolgert werden, dass er wohl auch den grundsätzlichen Missionsauftrag Jesu Christi an Seine Apostel und die gesamte katholische Kirche, tapfer und mutig in die Welt hinaus zu gehen und bezeichnenderweise “alle Völker” durch die Predigt des Evangeliums Jesu Christi und die Taufe ”zu Jüngern” zu machen (vgl. Mt 28,18-20), für eine “Riesendummheit” hält, die “gar keinen Sinn” mache! Allein daran wird es einem klar, warum er vor einem guten Jahr zum “Papst” gewählt wurde ...und welche Kräfte ihn wohl protegiert haben!
Im zweiten Teil dieses Interview-Berichtes unterhielten sich die beiden Herren an einer Stelle über die Frage nach der Gnade. Scalfari bemerkte da: “Heiligkeit, Sie hatten doch gesagt, Sie wollten mich nicht bekehren, und ich glaube, es würde Ihnen auch nicht gelingen!” Darauf gibt “Papst” Franziskus die Antwort: “Das kann man nicht wissen, aber ich habe jedenfalls keine Absicht dazu”.
Hiermit bestätigen beide, dass bei Scalfari in diesem Interview die Rede nur von einer “Bekehrung” war (und nicht von “Proselytismus”) und Bergoglio ihn tatsächlich auch so, nämlich richtig, verstanden hat. Und trotzdem sagt Bergoglio daraufhin, dass er als “Papst” kein Interesse habe, einen Atheisten zum Glauben an Jesus zu führen. Ein starkes Stück, welches offen legt, wessen Geistes Kind er ist! Wenn er wenigstens gesagt hätte, er würde es an sich schon gern sehen oder begrüßen, wenn Scalfari zum Glauben an Gott käme, oder er würde ihm dies wünschen. Nein, er habe schlicht und ergreifend “keine Absicht dazu”! Damit wendet er sich praktisch direkt gegen den Missionsauftrag Jesu und deklariert sämtliche edle Missionsbemühungen der Kirche im Laufe der letzten zweitausend Jahre als “Riesendummheit”!
Was soll aber nach Meinung von Bergoglio statt dessen gemacht werden? “Man muss sich kennen lernen, sich zuhören und das Wissen um die Welt um uns vermehren. ... seinen Gedankenhorizont erweitern.” Soweit zunächst mal gut. Es ist immer wichtig, miteinander zu reden, um auch zu verstehen, wie der andere denkt und wie er zu dieser oder jener Schlussfolgerung kommt. Man soll ja dadurch auch eventuellen ungerechten Vorurteilen aus dem Weg gehen und jedem gerecht begegnen.
Was aber dann? Was soll dann folgen? Bergoglio hat nun von Scalfari (im dritten Teil des betreffenden Interviews) auf seine eigene Frage hin erfahren, was dieser z.B. “als das Sein” bezeichnet, und erhielt darauf zur Antwort: “Das Sein ist stoffliche Energie. Es handelt sich um chaotische Energie, aber unzerstörbar und in ewigem Chaos. ... Ich sprach vom Belebtsein des Menschen mit Instinkten und Wünschen, aber ich fügte hinzu, dass er in seinem Inneren auch eine Resonanz enthält, ein Echo, eine Berufung zum Chaos.” Jetzt wissen wir, was dieser Atheist unter dem “Sein” versteht. Wunderbar. Der Mensch ist “das einzig denkfähige Tier” “mit Instinkten und Wünschen” - von Willensfreiheit wird da bezeichnenderweise nicht gesprochen. Da sind und bleiben doch Welten zwischen dieser Definition vom Menschen als einem instinktgetriebenen Tier und der christlichen Definition von Gott, Mensch und Welt!
Ein Jünger Jesu Christi würde nun diese Informationen dazu nutzen, einem solchen Atheisten insofern beizustehen, dass er ihm seinen theoretischen Irrtum und wie praxisrelevanten Fehler sachlich vor Augen führt und auf die traurigen Konsequenzen einer solchen zutiefst mangelhaften Weltsicht aufmerksam macht. Letztendlich wäre er daran interessiert, den betreffenden Kandidaten auch aktiv von der wahren, christlichen Sicht der Dinge zu überzeugen! Nun, das will ja aber Bergoglio ausdrücklich nicht, weil ihm dies pauschal als eine “Riesendummheit” vorkommt, die “gar keinen Sinn” macht. Letztendlich stehen diese beiden sich gegenseitig zutiefst widersprechenden Sichten nach Bergoglio gleichwertig nebeneinander. Zwar bekennt er sich in diesem Interview in Ansätzen zum christlichen Credo, billigt aber seinem atheistischen Gesprächspartner vom Wertanspruch her eine Gleichwertigkeit dessen atheistischer Ansichten zu. Das ist auch Indifferentismus!
Gibt es nur eine Sicht des einzigen Guten? Zum Schluss des obigen Zitats spricht Bergoglio “von Wegen, die uns voneinander entfernen oder die uns näher zusammenbringen, aber das Entscheidende ist, dass sie uns zum Guten hinführen”. Was versteht aber dieser Franziskus unter diesem “Guten”, welches ja das Ziel aller unseren Bemühungen sein soll und ihnen Sinn gibt?
Scalfari fährt in seinem Bericht unmittelbar im Anschluss an das obige Zitat fort: “Heiligkeit, existiert eine Sicht des einzigen Guten? Und wer legt diese fest? ‘Jeder von uns hat eine eigene Sicht des Guten und auch des Bösen. Wir müssen den anderen dazu anregen, sich auf das zuzubewegen, was er für das Gute hält.’ Das haben Sie, Eure Heiligkeit, bereits in den Briefen an mich geschrieben. Das Gewissen ist autonom, haben Sie gesagt, jeder muss seinem eigenen Gewissen gehorchen. Ich glaube, das sind die mutigsten Aussprüche, die von einem Papst gemacht wurden. ‘Und hier wiederhole ich sie. Jeder hat eine eigene Vorstellung von Gut und Böse und muss wählen, dem Guten zu folgen und das Böse zu bekämpfen, so wie er sie wahrnimmt. Das würde schon genügen, um die Welt zu verbessern’.”
Die katholische Kirche lehrt, dass wir alle von Gott nach unserem Gewissen gerichtet werden. Wer seinem Gewissen folgt, ist jedenfalls schon kein moralisch verdorbener Opportunist, der seine Meinung wie Hemden wechselt - je nachdem halt, wie er den möglichst größten Vorteil für sich selbst herausschlagen kann. Mit einem solchen vom Gewissen angeleiteten Menschen kann man ja eher vernünftig reden und ihm auch vertrauen als einem selbstbezogenen Egoisten.
Dennoch verlangt die Kirche, dass das Gewissen auch immer weiter im Lichte der Lehre des Evangeliums Jesu Christi geschärft werde! Es genügt nicht zu sagen, das eigene Gewissen sage einem dies oder jenes - das ist immer noch nicht die höchste moralische Instanz! Man kann da sehr wohl auch irren. Denn sonst müsste man einem radikalen Islamisten, der die Lehre des Koran nicht verwässert, zubilligen, dass er in Treue zu seinem sog. eigenen Gewissen die “Ungläubigen” verfolgt, terrorisiert, unterjocht und tötet. Oder man müsste einem orthodoxen Juden zugestehen, dass er alle nichtjüdischen Völker nach rein rassischer Klassifizierung als “gojim” betrachtet und entsprechend verächtlich behandelt. (“Symbolische Bedeutungen des Wortes aus der Zeit der Entstehung des Tanach sind weiterhin ‘Heuschreckenschwarm’ und ‘alle Arten von Bestien’ sowie ‘Herden’ und ‘Tierschar’.” Quelle: wikipedia zum Begriff “Goi [Nichtjude]”)
Und wie sollte man dann etwa auch einem Hitler, Stalin oder Pol Pott widersprechen, wenn sie sich bei ihren schrecklichen Gräueltaten auf ihr eigenes Gewissen berufen hätten? Man sieht, es gibt so manche Vorstellungen unter uns, Menschen, darüber, was das “Gute” oder das “Böse” sei. Offensichtlich ist die Forderung, im Umgang mit anderen Menschen dem momentanen sog. eigenen Gewissen als der praktisch letzten moralischen Instanz zu folgen, bei weitem nicht zutreffend oder hinreichend!
Indem aber Bergoglio genau das fordert, fordert und fördert er praktisch den totalen Relativismus in Glaubens- und Sittenfragen! Jeder entscheidet praktisch “autonom” über die Frage, was für ihn “gut” und “böse” ist, solange er sich halt nur auf das Monstrum beruft, welches er als sein eigenes Gewissen bezeichnet. Wofür Bergoglio sich hier stark macht, ist dann unter anderem auch die totale Abkopplung der Frage nach der Moral von der entsprechenden Lehre Jesu Christi! Man stelle sich vor, jemand, der behauptet, Papst und somit Stellvertreter Jesu Christi auf Erden zu sein, findet es nicht wert, Ihn, den menschgewordenen Sohn Gottes, bei der Behandlung der Frage nach dem “Guten” zu erwähnen!
Sogar „beanstandete und verwarf Johannes Paul II. im 32. Kapitel von Veritatis splendor ‘einige Strömungen des modernen Denkens‘. ‚Dem Gewissen des einzelnen werden die Vorrechte einer obersten Instanz des sittlichen Urteils zugeschrieben, die kategorisch und unfehlbar über Gut und Böse entscheidet (…) so dass man zu einer radikal subjektivistischen Konzeption des sittlichen Urteils gelangt‘“ (Quelle: katholisches.info vom 09.10.2013 im Aufsatz „Christus ist keine Option unter vielen, schon gar nicht für seinen Stellvertreter auf Erden. Warum uns dieser Papst nicht gefällt“.) Wenn sogar Wojtyla, der ebenfalls ein klarer Modernist war und sich gegen mehrere Glaubensdogmen versündigte, eine solche Sichtweise deutlich kritisiert, dann muss das entsprechende glaubensmäßige Absinken Bergoglios schon gewaltig sein!
Bergoglio spricht in diesem Interview nicht wie ein Jesus liebender Christ, geschweige denn wie ein katholischer Priester, Bischof oder Papst, die sich schwerpunktmäßig an der Lehre des Evangeliums Jesu als des göttlichen Erlösers orientieren. So lohnt es sich, in diesem Zusammenhang die folgenden ergreifenden Worte des hl. Apostels Petrus zu beherzigen, der auf die Frage Jesu, ob sie, die Apostel, Ihn ebenfalls verlassen wollten, wie viele andere Seiner Jünger, antwortet: “Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens. Wir glauben und erkennen, dass Du der Heilige Gottes bist.” (Joh 6,68f)
Bergoglio verschweigt dagegen Jesus im Zusammenhang dieses extrem wichtigen Themas komplett! Und er klingt im betreffenden Interview-Gespräch sogar eher wie ein Vertreter einer der zahlreichen freimaurerischen Organisationen oder liberalen Parteien, die sich alle letztendlich für die praktisch rein subjektivistische Bewertung der Frage nach dem moralisch “Guten” und “Bösen” starkmachen! Und dies hat dann - nur um die ganze Tragweite dieses Sachverhaltes zu überblicken - entsprechende zentrale Relevanz beim Umgang mit solchen wichtigen und essentiellen Fragen unseres Leben wie der nach der moralischen Bewertung von Abtreibung, Euthanasie, Pädophilie usw.!
Die entsprechende revolutionäre Bedeutung der Worte Bergoglios nimmt in entsprechender Weise bezeichnenderweise auch der Atheist Scalfari wahr, indem er ja die betreffenden Ausführungen Bergoglios aus seiner Sicht als “die mutigsten Aussprüche, die von einem Papst gemacht wurden”, bezeichnet. Also realisierte er, dass da etwas Neues formuliert wurde, was man so von einem Papst früher nie erwartet hätte. Und Bergoglio hat darauf nichts anderes zu erwidern, als nur zu sagen: “Und hier wiederhole ich sie”! Somit hat er nicht nur etwa gedankenlos oder oberflächlich etwas dahin geplappert, sondern den Inhalt seiner betreffenden Worte bewusst bestätigt!
Eine Umfrage der Gläubigen. Ende 2013 startete Franziskus eine ganz bestimmte weltweite Meinungsumfrage unter den Gläubigen. Auf der Grundlage von im Oktober 2013 an die Bischöfe ausgesandten Fragebögen wollte der Vatikan erfahren, wie die offiziellen Katholiken in den Gemeinden zu einigen aktuellen Themen wie Homo-Ehe, Verhütung und Familie stehen. Man möchte meinen, dies sei eine noble Geste, da ja die Meinung der einfachen Leute gefragt werde.
Aber gerade darin liegt auch das eigentliche Problem dieser Umfrage. Denn sie macht nur dann Sinn, wenn man sich danach auch irgendwie auf sie beruft bzw. sie für die eigene Theorie und Praxis entsprechend auswertet. Das war schon im Oktober 2013 den geradezu professionellen liberal-gesinnten Kritikern des Katholizismus bewusst, die an sich nicht genug kriegen an “Reformen”, die sie ja ständig einfordern.
Nun ist es aber so, dass die katholische Kirche grundsätzlich uns alle nur das zu lehren hat, was sie an Glaubensinhalten von Jesus und den Aposteln überliefert bekommen hat. Keinesfalls darf sie sich dabei nach etwa dem Mund der Leute richten, sondern hat auch sogar entgegen einer etwaigen entgegengesetzten Mehrheitsmeinung in der Gesellschaft nur das zu verkünden, was Jesus gepredigt hat (vgl. Mt 28,20)! Auf diesem Gebiet gelten weder Demokratie noch Bevölkerungsumfragen!
Wenn aber der Vatikan nun diesen höchst ungewöhnlichen Schritt der Befragung aller seiner Mitglieder geht, ist zu befürchten, dass er dann einige der betreffenden Inhalte im Sinne der betreffenden Mehrheitsmeinungen ändern wird. Mit dem dialektischen Argument nämlich, dass das ja die Meinung des Volkes sei, welches ja das sog. “Volk Gottes” sei. Also würde das dann halt auch irgendwie dem Willen Christi entsprechen!
Eine Kostprobe solcher Rhetorik lässt sich z.B. in einem Beitrag des Trierer Bischofs Stephan Ackermann entnehmen, welcher am 06.02.2014 in der Allgemeinen Zeitung veröffentlicht wurde. Darin schreibt die Zeitung in Bezug auf die Resultate der Befragung, wonach die Morallehre der katholischen Kirche von den modernen Gläubigen überwiegend als “Verbotsmoral” und “lebensfern” angesehen werde: “‘Wir müssen das Verantwortungsbewusstsein der Menschen stärken, ihre Gewissensentscheidung dann aber auch respektieren’, so Ackermann. So sei es nicht mehr zeitgemäß, eine neue Ehe nach einer Scheidung als dauernde Todsünde anzusehen und Wiederverheirateten keine Möglichkeit zu eröffnen, jemals wieder zu den Sakramenten zugelassen zu werden. ‘Wir werden Vorschläge machen’ so der Bischof. Auch sei es nicht haltbar, jede Art von vorehelichem Sex als schwere Sünde zu bewerten. ‘Wir können die katholische Lehre nicht völlig verändern, aber Kriterien erarbeiten, anhang derer wir sagen: In diesem und diesem konkreten Fall ist es verantwortbar. Es geht nicht an, dass es nur das Ideal auf der einen und die Verurteilung auf der anderen Seite gibt.’
Zum Thema Familienplanung und Verhütung erklärte der Bischof: ‘Die Unterscheidung nach natürlicher und künstlicher Verhütung ist auch irgendwie künstlich. Ich befürchte, das versteht niemand mehr.’
Wie bei allen Fragen der Sexualmoral müsse die Kirche auch beim Thema Homosexualität an das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen appellieren. ‘Das christliche Menschenbild geht von der Polarität der Geschlechter aus, aber wir dürfen nicht einfach sagen, Homosexualität sei widernatürlich.’ Homosexualität dürfe aber nicht in Promiskuität und Triebbefriedigung ausgelebt werden.
An der Einzigartigkeit der Ehe zwischen Mann und Frau halte die katholische Kirche fest; wenn aber durch eine eingetragene Lebenspartnerschaft Treue und Verantwortung gestützt würden, ‘dann können wir dieses Verantwortungsbewusstsein nicht ignorieren’, so Ackermann. Eine Segnung homosexueller Paare wie in der Evangelischen Kirche ‘ist aber nicht unsere Lösung’.”
Anhand dieser höchst dialektischen Argumentation Ackermanns sieht man, wie da auf der einen Seite die genuine katholische Position zwar noch irgendwie genannt wird (noch irgendwie!), zugleich aber im zweiten Teil desselben Satzes oder Arguments diese auch sofort wieder aufgehoben wird! Was übrig bleibt, ist der oberflächliche Eindruck, als handele es sich um die Übereinstimmung dieser neuen Haltung mit der katholischen Lehre, beim genaueren Hinschauen erkennt man aber, dass doch etwas ganz anderes gefordert und bereit in Aussicht gestellt werde!
“Die Antworten der Umfrage werden auf der Bischofssynode zum Thema Familie im Oktober 2014 besprochen. Die Bischöfe sollen demnach zuvor die Vorbereitungsgruppe zur Bischofssynode informieren, ‘welche Anfragen/Bitten es von der Seite der wiederverheirateten Geschiedenen an die Kirche in Bezug auf die Sakramente’ gebe.” (Aus: zeit.de vom 04.11.2013, “Papst startet Meinungsumfrage unter Gläubigen”.)
Es lässt sich also befürchten, dass da so einiges an traurigen Ergebnissen dieser Bischofssynode zu erwarten sein wird. Wobei man sich natürlich auf die betreffende Umfrage berufen und die eigenen hehren Absichten untersteichen wird! Somit hat Bergoglio auch auf diesem Gebiet ein einziges Jahr gereicht, um eine kirchlich-moralische Revolution zu starten bzw. entscheidend zu forcieren! Gibt es noch Fragen, warum ein damals 76-jähriger mit einem Teil einer Lunge ins “Papstamt” gewählt wurde?!?

P. Eugen Rissling

 

Zurück Hoch Startseite